Reisebericht von Monika Propst-Yüce, Oktober/November 2017
Eine Freundin hat mich auf das Angebot von Enasinya Tanzania aufmerksam gemacht – zum Glück!
Ich habe vor 30 Jahren mal 2 Monate in Westafrika verbracht, und zwar in Mali und in Senegal und hatte das in sehr guter Erinnerung. Da aber Westafrika zur Zeit nicht besonders sicher ist, waren meine Mann Recep und ich auf der Suche nach einem anderen Teil Afrikas, den wir besuchen könnten.
Die Idee, sich 5 Tage wandernd durch das Land zu bewegen, hat uns beiden sehr gefallen. Zusätzlich war es eine afrikanische Reiseorganisation, die von GEA unterstützt wurde. Das Geld, das wir für die Dienstleistung bezahlten, sollte also im Land bleiben. Auch das hat uns gefallen.
Und dann begann die Reise: alles war noch schöner als erwartet. Das Tempo des Gehens erlaubte mir ein langsames Eintauchen in die teils atemberaubend schöne Landschaft, in die Hitze, erlaubte ein Ankommen in einem Teil Afrikas und seinem way of life. Pole pole, hieß es da, abwechselnd mit „mape, mape“, langsam zwar, aber immer in Bewegung. Und keine schonenden Glasscheiben und Klimaanlagen zwischen uns und der Welt.
Dass es dann später die Jeeps gab, war natürlich auch gut: noch mehr Landschaft und noch mehr Tiere. Meine Fotos kommen an die Perfektion der Bilder, die wir aus dem Fernsehen kennen, zwar bei Weitem nicht heran, aber es ist ein wirkliches Erlebnis, die Tiere in ihrer natürlichen Umgebung zu sehen.
Die Organisation klappte hervorragend, das Essen war reichlich und schmackhaft. Dass die Matten nicht so weich waren, wie sie sein könnten, liegt am stacheligen Untergrund, vielleicht gibt es ja irgendwelche dünne Matten, die man unters Zelt legen könnte und die die Stacheln draußen halten? (Ich weiß selbst nicht, was das sein könnte, aber vielleicht hat ja jemand eine Idee)
Lemayan war ein aufmerksamer Reiseleiter, der auch viele Informationen zur Kultur der Maasai geben konnte. Das ganze Team von Köchen und Begleitern war sehr, sehr nett! Die Gruppe, von kurzen gruppendynamischen Wirren nach dem Dazustoßen der Nachzügler abgesehen, sehr unterstützend und lustig.
Und dann stellt sich ja noch die Frage, wie man als Reisender etwas erfahren kann. Weil die Sprache fehlt, weil man anderes gewohnt ist, weil wir Dinge üblicherweise durch unsere kulturelle Brille betrachten.
Der Schmutz in der Klinik und der Zustand der dazugehörigen Sanitäranlagen z. B. waren für die meisten von uns Mitteleuropäern schlicht unerklärlich. Die Interpretationen reichten von „verschiedene Standards eben“ bis „das ist fake“. Und wenn die Kinder in dem Maasai-Dorf sich auf die Sonnenbrillen und Uhren der weißen BesucherInnen stürzen, heißt das dann automatisch, dass sie das alle wollen und nur noch nicht bekommen können? Und dass mit der Lebensweise, die die Maasai meinen Informationen nach auch schon lange als solche gegen verschiedene Neuerungen beibehalten und verteidigen, ein „großes Potential brachliegt“, wie ein Kollege gemeint hat? Ist das nicht unser mitteleuropäischer Blick, der unsere Realität zur Norm macht und alles andere als „eben noch nicht so weit“ erkennt?
Lemayan hat in einem Gespräch seine Verbundenheit zum traditionellen Leben der Maasai ausgedrückt. Ich bin mir sicher, er lebt gleichzeitig in unterschiedlichen Welten, mit seiner Ausbildung, mit seiner Firma, mit seinem Englisch und wohl auch mit seiner eigenen Familie. Und doch hat er gesagt, wie betroffen er war vom Umgang der Österreicher mit ihren alten Menschen, die in Altersheime abgeschoben werden. Er als jüngstes Kind hat sich traditionellerweise um seine Mutter zu kümmern hat und tut dies auch gerne.
Mir hat die Lektüre von R. Kapuscinskis „Notizen eines Weltbürgers“ viel gegeben, er war mein geheimer Reiseführer. Wenn es stimmt, was er so denkt, dann hat man auch in Afrika angefangen, sich nicht mehr nur an Europa zu orientieren, sondern sich auf die eigenen Werte zu besinnen.
Dass die Maasai an ihrer Tradition so lange festhalten – auch gegen Bestrebungen im eigenen Land, diese zu verändern – hat mich beeindruckt. Und es muss auch gute Gründe dafür geben. Jetzt kann ich nur fantasieren: aber ich als Mitteleuropäerin bin heilfroh, mir ein Sabbatjahr leisten zu können, um aus dem Alltagstrott und –stress (vor allem Stress) auszusteigen. Die zeitliche Fremdbestimmtheit ist als Maasai mit Sicherheit geringer. Und wenn ich wild weiterfantasieren darf: der Sternenhimmel, die Luft und vor allem die Weite der Landschaft vermitteln mir ein Gefühl von Freiheit und lassen mir das Herz aufgehen, und ich würde darauf nicht gerne verzichten wollen.
Aber auch diese Kultur wird sich ändern, denke ich: Daran ist a priori nichts Schlechtes. Ich hoffe und wünsche inständig, dass es dabei Menschen gibt, die es verstehen, die Anpassung an das Neue mit der Wertschätzung des „Alten“ und „Eigenen“ zu verbinden.
Ich hoffe, das ist jetzt nicht salbungsvoll. Ich bin auf jeden Fall dankbar für diese Reise, weil sie mir die Möglichkeit geboten hat, mich wieder einmal mit Menschen auf einem anderen Kontinent zu verbinden, weil ich dort zu Gast war. Und das verändert etwas in mir.